DÜNNDARMFEHLBESIEDLUNG NATÜRLICH BEHANDELN
- orion-consult
- 23. Nov. 2021
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Jan. 2022

Die Dünndarmfehlbesiedlung wird häufig auch mit SIBO abgekürzt, was für den englischsprachigen Begriff Small Intenstinal Bacterial Overgrowth steht, zu deutsch: Übermässiges bakterielles Wachstum im Dünndarm.
Bei einer Dünndarmfehlbesiedlung haben sich unnatürlich viele Laktobakterien im Dünndarm angesiedelt. Milchsäurebakterien leben normalerweise im Dickdarm, wo sie erwünscht sind und im Normalfall auch keine Beschwerden verursachen..
Im Dünndarm fermentieren diese Bakterien nun Kohlenhydrate (Zucker, Stärke) unter Gasbildung, was die Hauptsymptome (Blähbauch, Bauchschmerzen) erklärt. Dabei kann auch die sog. D-Milchsäure entstehen. D-Milchsäure kann im Gegensatz zur L-Milchsäure, die während natürlicher Stoffwechselprozesse auch vom Organismus selbst gebildet wird, vom Körper nur schwer wieder abgebaut werden.
Daher verbleibt sie zu lange im Darm, kann über die Darmschleimhaut ins Blut gelangen und dieses übersäuern.
Eine sog. Laktatazidose ist entstanden eine Übersäuerung durch Milchsäure. Dies wiederum kann zu den auch weiter unten beschriebenen Konzentrationsstörungen und zu einer Art kurzfristigen geistigen Verwirrtheit führen.
Die fälschlicherweise im Dünndarm ansässigen Bakterien hindern überdies die Verdauungsenzyme an ihrer Arbeit, so dass die Nahrung nicht ordnungsgemäss verdaut werden kann.
Es gelangen mehr unvollständig verdaute Nahrungspartikel als gewöhnlich in den Dickdarm, was nun auch dort zu Problemen führen kann, nämlich zu verstärkter Bakterienaktivität und somit zu Blähungen.
Die typischen Symptome einer Dünndarmfehlbesiedlung (SIBO) sind ein aufgeblähter Bauch und Bauchschmerzen.
Blähungen gehen oft nicht ab, was den aufgeblähten Bauch und die Schmerzen erklärt. Meist tauchen diese Beschwerden unmittelbar nach den Mahlzeiten auf und bleiben stundenlang bestehen, was die Lebensqualität stark beeinträchtigt.
Auch chronischer Durchfall oder eine chronische Verstopfung können sich einstellen, so dass damit im Grunde die Symptome eines Reizdarmsyndroms beschrieben wären.
Und tatsächlich: Viele Reizdarmsyndrom-Patienten leiden nicht grundlos an ihren Beschwerden (wie viele Ärzte diesen Patienten leider immer wieder mitteilen), sondern infolge einer Dünndarmfehlbesiedlung. Ja, es sollen über 50 Prozent aller Reizdarmpatienten sein, deren Reizdarm in Wirklichkeit ein SIBO ist. Weitere mögliche Reizdarm-Ursachen finden Sie in unserem Artikel über den Reizdarm.
Zusätzlich können (müssen aber nicht!) bei der Dünndarmfehlbesiedlung (und so auch beim Reizdarm) Konzentrationsstörungen und Verwirrtheit auftreten, eine Art Benebeltsein.
Diese Symptome werden auf die D-Milchsäure zurückgeführt. Diese gilt als toxisch für die Gehirnzellen und kann daher kognitive Störungen verursachen, Denkprozesse irritieren und selbst das Zeitgefühl beeinträchtigen.
Auch dieses Symptom setzt jeweils nach dem Essen ein, spätestens nach einer halben Stunde und kann einige Stunden lang bestehen bleiben.
Langfristig kann es bei einer Dünndarmfehlbesiedlung zu Mangelerscheinungen und einer Gewichtsabnahme kommen, da die Verdauung und Nährstoffaufnahme gestört ist.
Häufig wird ein Vitamin-B12-Mangel diagnostiziert.
Meist schliesst die sog. Ileozäkalklappe nicht mehr richtig, wenn eine Dünndarmfehlbesiedlung (SIBO) vorliegt.
Diese Klappe befindet sich zwischen Dick- und Dünndarm und verhindert beim gesunden Menschen, dass Bakterien oder Nahrungsbrei aus dem Dickdarm wieder zurück in den Dünndarm gelangen können.
Warum aber ist die Ileozäkalklappe defekt?
Meist leiert die Klappe infolge chronischer Blähungen aus.
Natürlich haben auch die Blähungen wieder Ursachen (Unverträglichkeiten, ungesunde Ernährung, zu grosse Mahlzeiten, zu viele Ballaststoffe, ungünstige Lebensmittelkombinationen etc.).
Doch genügt schon allein eine chronische Verstopfung aufgrund verlangsamter Darmmotilität (Darmperistaltik = Darmbewegungen, die den Nahrungsbrei durch den Darm transportieren), um zu einem Ungleichgewicht der Dünndarmflora zu führen.
Als Ursachen für eine verlangsamte Darmmotilität oder generell für die Begünstigung eines SIBO kommen die folgenden Faktoren in Frage:
Antibiotika
Diabetes
Medikamente, die stopfend wirken
PPI, die bei Sodbrennen, Reflux oder als Magenschutz verordnet werden, können eine Dünndarmfehlbesiedlung begünstigen. Denn die Magensäure würde normalerweise verhindern, dass ein Übermass an Bakterien (z. B. aus Joghurt oder anderen fermentierten Speisen, aber auch aus probiotischen Präparaten) in den Dünndarm gelangen. Säureblocker aber senken den Magensäurespiegel so stark, dass die Magensäure den Darm nicht mehr schützen kann und viel mehr Bakterien in den Dünndarm gelangen, als gesund wäre.
Operationen aufgrund von Übergewicht (Magenbypass)
Fisteln zwischen Dünn- und Dickdarm
Divertikel
Akloholkonsum
Krankheiten wie Zöliakie, Bauchspeicheldrüseninsuffizienz, Fettleber
FODMAPs (die Abkürzung für „fermentable oligo-, di- and monosaccharides and polyols“, es handelt sich dabei um Gruppe von Kohlenhydraten, die in vielen Lebensmitteln – meist natürlicherweise, also nicht etwa als Zusatz – enthalten sind und von den Darmbakterien fermentiert werden können. Praktiziert man eine FODMAP-arme Ernährung, kann dies bei vielen Menschen das Reizdarmsyndrom mildern. Zu den FODMAPs gehören Fructose, Lactose, Zuckeraustauschstoffe (Xylit, Sorbit etc.) und viele mehr. Im Netz gibt es dazu lange Listen mit erlaubten und verbotenen Lebensmitteln).
Präbiotika (z. B. Inulin)
Zu viele Probiotika
Eine Studie von 2018 liess vermutten, dass Probiotika eine Dünndarmfehlbesiedlung verursachen oder sie zumindest verschlimmern könnten.
Die entsprechenden Probanden hatten jedoch exzessive Mengen an Probiotika genommen und nahmen ausserdem teilweise noch Säureblocker ein, die schon allein die Entstehung einer Dünndarmfehlbesiedlung fördern können.
Im Juni 2019 erschien sodann eine Studie, die zeigte, dass eine ordnungsgemässe Dosis von Probiotika (zweimal täglich eine Kapsel über 30 Tage hinweg) die Symptomatik einer Dünndarmfehlbesiedlung bei Reizdarmpatienten sogar deutlich bessern konnte.
Es kommt also auf die Begleitumstände an, wie es dem Patienten geht, welche Medikamente er einnimmt, welche Beschwerden er sonst noch hat etc. Man verordnet Probiotika daher sehr individuell und nie in exzessiven Mengen.
Alle Massnahmen, die für einen gesunden Magensäurespiegel sorgen, können auch vor einer Dünndarmfehlbesiedlung schützen.
Auch eine gesunde Funktion der Bauchspeicheldrüse ist wichtig. Diese bildet genügend Verdauungsenzyme für den Dünndarm, die dort wiederum ein Übermass an Bakterien eindämmen.
Genauso müssen Leber und Gallenblase ordnungsgemäss funktionieren, da auch die Gallensäuren einer Dünndarmfehlbesiedlung vorbeugen.
Verstopfung sollte unbedingt vermieden werden, auch sollte man sich bewusst so ernähren, dass man nicht unter ständigen Blähungen leidet.
Im Mai 2014 erschien eine Studie, in der man in verschiedenen US-amerikanischen Kliniken bei Patienten mit Dünndarmfehlbesiedlung (SIBO) die Wirkung von Rifaximin mit der Wirkung von pflanzlichen Alternativen verglich. 104 Patienten erhielten in dieser Untersuchung über vier Wochen hinweg täglich entweder dreimal 400 mg Rifaximin (67 Patienten) oder zweimal täglich zwei Kapseln einer pflanzlichen Therapie (37 Patienten) – siehe nächster Absatz (zwei Kapseln vom einen Mittel und zwei Kapseln vom anderen Mittel).
In der Rifaximin-Gruppe fiel der Atemtest nach der Therapie bei 34 Prozent (23 Personen) negativ aus, was für eine nicht mehr vorhandene Dünndarmfehlbesiedlung sprach. In der pflanzlichen Gruppe waren es jedoch sogar 46 Prozent (17 Personen).
14 der 44 Patienten, die nicht auf die Antibiotika-Therapie angesprochen hatten, erhielten nun ebenfalls die Kräuter-Therapie – und 8, also mehr als die Hälfte hatten anschliessend einen negativen Atemtest. Weitere 10 der Patienten, die nicht auf Rifaximin reagiert hatten, erhielten eine Kombination aus drei Antibiotika, die bei 6 Personen Wirkung zeigte. Die drei Antibiotika waren: Cindamycin 300 mg, Metronidazol 250 mg, Neomycin 500 mg.
Die neun an der Studie beteiligten Gastroenterologen schlossen daraus allerdings nur, dass eine Kräuter-Therapie mindestens so wirksam sei wie eine Antibiotika-Therapie, um ein SIBO zu bekämpfen.
Selbst bei Menschen, die auf Rifaximin nicht reagierten, könne man genausogut Kräuter einsetzen statt der Dreier-Antibiotika-Kombination.
Beim Nebenwirkungsprofil schnitt der Studienarm mit der Kräutertherapie unvergleichlich viel besser ab: Es wurde nur über einen Fall von Durchfall berichtet, während die Antibiotika-Gruppe zwei Fälle von Durchfall, zwei Fälle von Hautausschlag (Nesselsucht), ein Fall von Clostridium difficile und ein Fall von Anaphylaxie zu verzeichnen hatte.
Die Kräutermischungen (Präparat heißt Biotics Research FC Cidal – leider in Deutschland nicht erhältlich) enthalten: Tinospora cordifolia, Schachtelhalm, Lapacho, Thymian, Estragen, Sandmalve, Olivenbaum Blätter.
Auch Oregano, Salbei, Zitronenmelisse, Pfefferminze, Nelke und Ingwer wirken gut in dem Fall. Am Besten kombiniert. Beim Bedarf lassen Sie sich beraten.
Quelle:
Chedid V et al., Herbal Therapy is Equivalent to Rifaximin for the Treatment of Small Intestinal Bacterial Overgrowth, Mai 2014, Global Advances in Health and Medicines
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