ZAHNFLEISCHENTZÜNDUNG VERSCHLIMMERT DARMENTZÜNDUNG
- orion-consult
- 24. Nov. 2021
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Jan. 2022

Nobuhiko Kamada, Professor für Innere Medizin an der University of Michigan widmet sich seit vielen Jahren der Erforschung der Darmflora – der Gesamtheit aller Mikroorganismen im Verdauungssystem – und stellte bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ein Überhandnehmen fremder Bakterienstämme im Darm fest. Mit „fremden Bakterienstämmen“ bezeichnet er in diesem Fall Bakterien, die normalerweise nicht im Darm, sondern im Mundraum leben.
In seiner Studie, die im Juni 2020 im Fachjournal Cell erschienen war, konnte Kamada zwei Mechanismen aufzeigen, über die Bakterien der Mundflora Darmentzündungen verschlimmern können
Wenn eine Paradontitis vorliegt (Entzündung von Zahnfleisch und Zahnhalteapparat), dann kommt es zu einem Ungleichgewicht der Bakterienverteilung in der Mundflora, was bedeutet, dass entzündungsfördernde Bakterien überhand nehmen.
Diese bleiben nun leider nicht in der Mundhöhle, sondern wandern weiter in den Darm und können dort zur Entstehung von Entzündungen beitragen.
Allein das Wandern der Mundflora-Bakterien in den Darm würde bei gesunder Darmflora keine merkliche Entzündung im Darm hervorzurufen. Denn eine gesunde Darmflora lässt es nicht zu, dass sich andersartige Mikroorganismen in ihrem Revier ansiedeln.
Wenn die Darmflora aber bereits gestört ist, z. B. bei Vorliegen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, dann können sich die Bakterien der Mundflora nahezu ungestört ausbreiten und die Entzündung verschlimmern.
Der zweite Mechanismus, über den eine gestörte Mundflora Darmentzündungen verschlimmern kann, ist der folgende: Wenn eine Zahnfleischentzündung vorliegt, dann werden in der Mundschleimhaut bestimmte Immunzellen aktiviert, sog. TH17-Zellen, die entzündliche Autoimmunprozesse auslösen können.
Auch diese TH17-Zellen können in den Darm wandern und dort zu Problemen führen. Die gesunde Darmflora würde natürlich auch die TH17-Zellen in Schach halten können, da in einem gesunden Milieu immer auch ausreichend regulatorische Zellen vorhanden sind, die Autoimmunprozesse und überschiessende Entzündungsreaktionen verhindern.
Bei einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung liegt jedoch bereits ein Autoimmungeschehen im Darm vor. Treffen nun auch noch reichlich TH17-Zellen aus dem Mundraum ein, dann können diese die bestehende Entzündung noch weiter triggern und die Erkrankung verschlimmern.
Für Menschen mit Darmentzündungen bedeuten diese Erkenntnisse, dass sie sich – insbesondere wenn sie zusätzlich an einer Erkrankung der Mundhöhle leiden – unbedingt um ihre Zahn- und Zahnfleischgesundheit kümmern sollten, um letztendlich über diesen Umweg auch ihre Darmgesundheit zu verbessern – empfiehlt Dr. William Giannobile, Professor der Zahnmedizin an der University of Michigan.
Dr. Shrinivas Bishu, Professor für Gastroenterologie, ist regelrecht begeistert von der Aussicht, chronisch entzündliche Darmerkrankungen auf diese Weise lindern zu können.
„Bei vielen Patienten wirken die üblichen Medikamente gegen die Darmentzündungen gar nicht, was die Lebensqualität massiv einschränkt und dazu führt, dass die Betroffenen letztendlich operiert werden müssen.“.
Quellen:
K amada N, Kitamoto S et al., The intermucosal connection between the mouth and gut in commensal pathobiont-driven colitis, Juni 2020, Cell, DOI: 10.1016/j.cell.2020.05.048
University of Michigan, Could the cure for IBD be inside your mouth?, 16. Juni 2020, MedicalXpress, https://medicalxpress.com/news/2020-06-ibd-mouth.html
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