DAS ANTIBIOTIKUM NAMENS MEERRETTICH
- orion-consult
- 29. Dez. 2021
- 5 Min. Lesezeit

Die scharf schmeckenden und tränentreibenden Senföle entfalten sich erst dann, wenn der Meerrettich auf irgendeine Weise zerkleinert wird.
Diese Stoffe sind in der Lage, krankmachende Mikroorganismen wie Bakterien, Viren und Pilze in ihre Schranken zu weisen. Kein Wunder, dass der Meerrettich in der Volksheilkunde seit Menschengedenken bei Leiden wie Atemwegs- und Harnwegsinfekten eingesetzt wird.
Einzug in die Küche fand der Meerrettich erst Ende des 16. Jahrhunderts. Schon lange davor wurde er als Heilpflanze geschätzt. Im alten Ägypten wurde der Kren bereits vor Jahrtausenden medizinisch angewandt.
In Süddeutschland wird der Meerrettich nicht ohne Grund als "Bayerische Zitrone" bezeichnet. Denn in der scharfen Wurzel steckt mehr als doppelt so viel Vitamin C als in der Zitrusfrucht. Ein Esslöffel Meerrettich entspricht ungefähr einer kleinen Zitrone.
Vorsicht bei Histaminintoleranz:
Bei einer Histaminintoleranz sollte vor grösseren Mengen besser Abstand genommen werden.
Der Meerrettich ist zwar keine Histaminbombe – er enthält pro 100 g rund 50 mg Histamin, in derselben Menge Knoblauch (der bei HIT als gut verträglich gilt) sind es 110 mg. Doch ist der Meerrettich ein Histaminliberator, er setzt also Histamin im menschlichen Körper frei. In kleinen Mengen wird die Wurzel aber auch bei einer Histaminintoleranz meist gut vertragen.
Früh wurde erkannt, dass dem Meerrettich eine heilende Kraft innewohnt.
Doch hat es lange gedauert, bis die Inhaltsstoffe entdeckt und die Wirkmechanismen verstanden wurden. Inzwischen weiss man, dass neben den Vitaminen und Mineralstoffen vordergründig die zu den sekundären Pflanzenstoffen zählenden Senföle zum herausragenden gesundheitlichen Effekt beitragen.
Die Senföle, auch bekannt als Glucosinolate, sind allerdings nicht von vornherein im Meerrettich enthalten. Sie werden erst dann gebildet, wenn die darin vorkommenden Senfölglycoside mit einem in besonderen Zellen gelagerten Enzym namens Myrosinase in Berührung kommen.
Dieser Kontakt wird hergestellt, wenn der Meerrettich zerkleinert oder auch verdaut wird. In Folge entstehen die scharf schmeckenden Senföle.
Zwar sind in jedem Kreuzblütengewächs Glucosinolate enthalten, doch ist sehr wohl ein Unterschied in Hinblick auf das Aroma und den Schärfegrad erkennbar, da der Meerrettich deutlich schärfer ist als
z. B. Brokkoli, Weisskohl oder Senf. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es unterschiedliche Senfölglycoside gibt und bei jedem Kreuzblütengewächs eine andere Mischung und Kombination vorliegt.
Der Meerrettich wird seit Jahrtausenden innerlich und äusserlich als Heilpflanze angewandt und konnte seinen guten Ruf bis heute bewahren.
Die Heilkraft beruht vordergründig auf den bakterien-, pilz- und virenhemmenden Eigenschaften. Darüber hinaus wirkt der grosse Rettich gegen Entzündungen, gegen freie Radikale sowie schleimlösend, fördert die Durchblutung und stärkt das Immunsystem.
In der Volksheilkunde kommt der Meerrettich u. a. bei den folgenden Leiden zum Einsatz:
Nebenhöhlenentzündungen, Erkältung, Bronchitis, Halsschmerzen, Blasenentzündung, Muskelschmerzen, Grippe, Rheuma, Leber- und Gallenwegserkrankunen, Verdauungsbeschwerden, Altersflecken und Krebs.
Aufgrund der bekannten Nebenwirkungen und immer häufiger werdenden Resistenzbildungen von Antibiotika wird vermehrt auf Heilpflanzen zurückgegriffen, die eine antibiotische Wirkung haben.
Beim Meerrettich sind es die Senföle, welche diese Eigenschaften haben. In Deutschland wird der Kren deshalb auch als "Bayerisches Penicillin" bezeichnet.
Im Meerrettich liegen verschiedene Senföle mit unterschiedlichem Wirkspektrum vor. Während das Allylsenföl vorwiegend im gramnegativen Spektrum eine deutliche bakterizide Wirksamkeit aufweist, zeigt das Gluconasturtiin eine starke bakterienhemmende Wirkung im grampositiven Bereich.
Oft können grampositive Bakterien wie Streptokokken, Enterokokken und Staphylokokken und gramnegative Bakterien wie Salmonellen, Legionellen, E. Coli und Klebsiellen nur mit unterschiedlichen Antibiotika bekämpft werden. Der Meerrettich aber zeigt bei beiden Bakteriengruppen Wirkung und wird deshalb als natürliches Breitbandantibiotikum bezeichnet.
In puncto Bakterien stösst die Schulmedizin mehr und mehr an ihre Grenzen.
Bei gramnegativen Bakterien wirken viele Antibiotika wie z. B. Penicillin von vornherein nicht, da sie eine äussere Membran haben, die sie davor schützt. Wird diese Membran zerstört, treten giftige Substanzen (Endotoxine) aus, die zur Schwere der Infektion beitragen. Man spricht hierbei von einer primären Antibiotikaresistenz.
Viel gefährlicher sind sekundäre, die auf Mutationen im Erbgut der Bakterien beruhen. Zu den Ursachen zählen eine unsachgemässe Anwendung, unnötige Verschreibungen sowie der Einsatz in der Massentierhaltung. Grampositive Bakterien werden seit einer ganzen Weile immer resistenter gegen Antibiotika, aber auch gramnegative Bakterien sind diesbezüglich auf dem Vormarsch.
Bei Intensivpatienten wird bereits die Mehrheit der Infektionen durch multiresistente gramnegative Erreger verursacht.
Allein in Deutschland verursachen multiresistente Keime jährlich bis zu 600.000 Infektionen und 20.000 Todesfälle.
Spätestens jetzt wird klar, wie wichtig es ist, Antibiotika wirklich nur dann einzunehmen, wenn es nicht anders geht, etwa bei einer Lungenentzündung oder Blutvergiftung. Bei nicht lebensbedrohlichen Leiden sind Therapien mit antibakteriell und antiviral wirksamen Heilpflanzen wie dem Meerrettich häufig viel sinnvoller.
Zudem trägt der Meerrettich nicht zur Resistenzbildung bei und wirkt zuweilen sogar gegen multirestente Keime.
In der Pflanzenheilkunde kann es sehr sinnvoll sein, Heilpflanzen zu kombinieren. Forscher von der Universität Freiburg haben herausgefunden, dass eine Therapie mit Meerrettich und Kapuzinerkresse (Tropaeoli majoris herba) sehr vielversprechend ist. Denn diese Pflanzenkombination zeigt eine besonders ausgeprägte keimhemmende Wirkung gegen die wichtigsten bakteriellen Erreger von Atemwegs-, Rachen- und Harnwegsinfektionen – und das sogar bei resistenten Bakterien (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus).
Selbst bei langfristiger Meerretticheinnahme wurde keine Entwicklung von Resistenzen beobachtet. Neben den Bakterien hemmen die Senföle auch Viren und Pilze, wodurch eine äusserst umfassende Therapie ermöglicht wird. Darüber hinaus schadet der Meerrettich – anders als Antibiotika – nicht der Darmflora.
Äusserlich wird der Meerrettich – etwa in Form von Umschlägen (Wickeln) und Auflagen – bei Leiden wie Muskelschmerzen, Muskelkater, Rheuma, Gicht und Ischias als Gegenreiz eingesetzt.
Die Anwendungen führen zu einer vermehrten Durchblutung der Haut und einer Linderung der Entzündungen und Schmerzen.
Wird Meerrettich zum Essen serviert, treten in der Regel keinerlei Nebenwirkungen auf. Wird die scharfe Wurzel aber medizinisch, also für einen gewissen Zeitraum täglich angewandt, kann es zu Verdauungsbeschwerden und zu Schleimhautreizungen kommen. In der Regel genügt eine Reduktion der Dosis, damit diese Nebenwirkungen verschwinden.
Bei Magen- sowie Darmgeschwüren und bei akuten Nierenleiden wird vom therapeutischen Einsatz des Meerrettichs abgeraten. Dasselbe gilt für Kinder unter 4 Jahren.
Der Wasabi (Eutrema japonicum) wird auch als Grüner oder Japanischer Meerrettich bezeichnet.
Doch handelt es sich beim Wasabi keineswegs um eine Meerrettichsorte. Zwar gehören beide zur grossen Familie der Kreuzblütler und bei beiden handelt es sich um scharf schmeckende Wurzeln. Letztendlich sind es aber verschiedene Pflanzenarten mit entsprechenden Unterschieden.
Produkte, die bei uns unter dem Namen "Grüner Meerrettich" angeboten werden, haben meist rein gar nichts mit Wasabi zu tun. Denn es handelt sich um Meerrettichpulver oder -paste, die mit Senf geschärft und mit Spirulina-Algen, Chlorophyll oder Farbstoffen grün gefärbt wird.
Am Preis bemerkt man den Unterschied sofort. Denn während man für 30 g echtes Wasabi-Pulver über 100 Euro auf den Tisch legen muss, bekommt man das Imitat schon für wenige Euro.
Vielleicht haben auch Sie schon in einem Geschäft rosafarbenen Meerrettich im Glas gesehen? Hierbei handelt es sich aber keineswegs um eine spezielle rosa Meerrettich-Sorte, sondern um eine Creme oder einen Aufstrich, der Kren und Rote Bete oder Preiselbeeren enthält.
Quellen:
Prieto M A et al, Glucosinolates: Molecular structure, breakdown, genetic, bioavailability, properties and healthy and adverse effects, Adv Food Nutr Res, März 2019
Ingrid Zehnder, Armoracia rusticana – meerrettich, a. Vogel
Meerrettich, Kooperation Phytopharmaka
Prof. Dr. rer. nat. Jörg Hacker et al, Antibiotika und Antibiotikaresistenzen: Vorkommen und Perspektiven, Dtsch Arztebl 2015
Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Krankenhausinfektionen und Antibiotikaresistenz, Stand: November 2019
Diana Moll, Heilpflanze des Jahres 2021 – Mit Meerrettich gegen Antibiotika Resistenzen, DAZ jan 2021-12-29
Maria Vogel, Heilpflanze des Jahres 2021 NHV Theophrastus
Karl-Heinz Goos et al, Aktuelle Untersuchungen zur Wirksamkeit und Verträglichkeit eines pflanzlichen Arzneimittels mit Kapuzinerkressenkraut und Meerrettich bei akuter Sinusitis, akuter Bronchitis und akuter Blasenentzündung bei Kindern im Vergleich zu Antibiotika, Arzneimittelforschung, 2007
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